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Die fünf Verhüllungen

Zwei Grundprinzipien

Auf der fundamentalen Verständnisebene der Yoga-Psychologie werden zwei Grundprinzipien formuliert, die für das gesamte Universum und für jedes Individuum gelten:

1) Das transzendente Prinzip - das ursprünglich freie Selbst (purusha / atman)

Dieses Selbst steht jenseits aller Dualität und jenseits des Geistes. Es ist ewig rein, weise, vollständig und frei von allen Begrenzungen. Dieses höchste Selbst wird beschrieben als sat-cit-ananda - reines Sein, reines Bewusstsein und transzendente Freude (Vollständigkeit). Dies sind keine Eigenschaften des Selbst, es erfährt sie nicht - das Selbst ist dieses Sein, dieses Bewusstsein, diese Vollständigkeit.

2) Das unbewusste Stoffprinzip (prakriti)

Es ist als ein Energiefeld zu begreifen - als umfassendes kreatives Potential. Dieses Energiefeld besteht aus drei Grundcharakteristiken oder Energietendenzen (gunas). Diese drei befinden sich ursprünglich im perfektem Gleichgewicht:

  • Sattva, das Prinzip des Lichten, Erhellenden - Reinheit, Frieden, natürliche Klarheit -
  • Rajas, das feurige Prinzip - es steht u.a. für Aktivität, Bewegung, für Wechselhaftigkeit, Emotionalität -
  • Tamas, das verdichtende Prinzip - es ist wirksam in Form von Trägheit, Schwere, Statik bzw. Stabilität.

Alles im Universum Existierende besteht aus unterschiedlichen Anteilen dieser drei Prinzipien oder Eigenschaften. Alle drei wirken immer zusammen.  

Sobald sie beginnen zu interagieren, wird das Gleichgewicht gestört - und daraus entstehen sämtliche stofflichen Entfaltungen, alle Ebenen und Formen des manifesten Universums -
beginnend mit dem Geistfeld, dessen Funktionen, die Sinnesfähigkeiten - die Elemente - etc. - also die Grundlagen für alle Arten von Erfahrungen.

(Mehr zu den drei Gunas in 'Fünf Zustände des Geistes')

Koshas - die fünf Verhüllungen des Bewusstseins

Das Konzept der fünf Hüllen (koshas) skizziert ein einfaches Grundschema der verschiedenen Existenzebenen des Menschen, der Verbindungen zwischen innerem Sein, Geist und Körper - die fein- und grobstofflichen Aspekte unserer Existenz. Es handelt sich um eine Reihe von Verdichtungen der Energie, sie umfassen jeweils verschiedene Frequenzebenen dieses Energiefeldes (prakriti) und damit für verschiedene Erfahrungsebenen innerhalb des manifesten Universums bzw. Individuums.

Bildlich betrachtet steigt das reine, transzendente Bewusstsein (atman)  in die stoffliche Welt ab, es inkarniert sich.
Abhängig vom Grad der Identifikation mit ihnen bilden diese Hüllen potentielle Begrenzungen des Bewusstseins.

Ein kurzer Überblick über die Koshas

Bindu

Der Ursprung von allem wird in der Yoga-Symbolik als Punkt dargestellt - Bindu (Punkt, Tropfen, Essenz).
Bindu steht hier für Atman, das Zentrum des Bewusstseins, unser innerstes Wesen - das, was unveränderlich und unsterblich ist, 'immer rein, weise, frei, vollständig'. Reines Sein, jenseits von Erfahrung.

1) Die Hülle der Seligkeit, der Freude  (anandamaya-kosha)

Die Erfahrungsebene spiritueller Existenz, transpersonaler Erfüllung und Freude. Hier steht man als Individuum im Licht der inneren Seinsnatur, befindet sich im Zustand völliger Jetztheit, Bewusstheit, Präsenz. Es ist der Bereich aller wahrhaft spirituellen Erfahrung. Doch verglichen mit dem Ananda der transzendenten Wirklichkeit ist das Ananda dieser Hülle sehr begrenzt.

2) Die Hülle der Erkenntnis  (vijnanamaya-kosha)

Der Bereich innerer Weisheit, klarer Erkenntnis und geistiger Entschlusskraft. Hier gewinnt man Einsicht in das wahre Wesen aller Dinge, frei von Voreinstellungen. Der Bereich echter Intuition, wenn man also etwas vollständig erfasst - die kleineren und größeren Erleuchtungen.

3) Die Hülle des Denkens  (manomaya-kosha)

Der Mentalkörper - der häufig von Unruhe erfüllte oberflächliche Geist (Wachbewusstsein).
Er ermöglicht Denken, Empfindung und Wahrnehmung, es ist der Bereich der Verstandestätigkeit, der Gefühlsprozesse und Emotionen.

4) Die Hülle der Energie  (pranamaya-kosha)

Die Vitalhülle, das Wirkungsfeld der verschiedenen vitalen Energien (pranas). Diese Prana-Hülle verbindet die drei Hüllen, aus denen sich das Geistfeld zusammensetzt (Freude, Erkenntnis, Denken), mit dem physischen Körper, der 'Hülle aus Nahrung'.

5) Die Hülle aus Nahrung  (annamaya-kosha)

Der dichte, physische Körper, der durch Nahrung erhalten werden muss. Er baut sich aus den fünf physischen Elementen auf und lebt und funktioniert allein durch prana.

Unser ursprünglich freies Selbst ist also schließlich von fünf stofflichen Ebenen umhüllt. Man kann sie sich als ein vielschichtiges Kraftfeld vorstellen. Sie ermöglichen Erfahrung auf diesen verschiedenen Ebenen. Abhängig vom Grad der Identifikation mit den Erfahrungen auf diesen verschiedenen Ebenen ist das reine Licht des Bewusstseins entweder getrübt oder kann mehr oder weniger klar diese Ebenen erhellen. Im Prozess spiritueller Entwicklung sind diese fünf Ebenen als Entwicklungsstadien begreifbar.

Fünf Ebenen des Menschseins - kurzgefasst
  • anandamaya - spirituelle Ebene - transpersonale Freude - Erfüllung (Vollständigkeit) als Erfahrung
  • vijnanamaya - der höhere Geist, unmittelbare Einsicht, Erkenntnis
  • manomaya - der konkrete Geist, das Wahrnehmungsvermögen und konditioniertes Denken
  • pranamaya - das Wirkungsfeld der vitalen Energien
  • annamaya - der physische, dichte Körper.

Bindu - das transzendente 'Zentrum des Bewusstseins', unsere ursprüngliche, vollständige Seinsnatur - steht immer unbeeinträchtigt jenseits all dieser Hüllen.

Yogaweg und Koshas

Diese Darstellung der fünf Hüllen skizziert auch den Entwicklungsprozess auf dem Weg des Yoga.

Beginnend mit der Nahrungshülle lernt man, sich aus begrenzenden Identifikationen zu lösen, um letztlich die reine Natur des Selbst zu 'enthüllen'.

Es bildet also den Weg der Verfeinerung des individuellen Bewusstseins in der Meditation ab:
von Außen nach Innen - vom Groben zum Feinen - von der Vielheit zum Einen - von der Bewegung zur Stille.

Suche das zu erkennen, aus dem alle Wesen geboren werden -
in dem sie nach der Geburt bestehen -
und in das sie nach dem Tode eingehen.
(Taittiriya-upanishad)

bindu 200

bindu yoga · meditation

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