Jenseits des Geistes

Auszüge aus der Vortragsserie 'Die Natur der Persönlichkeit'
von Swami Veda Bharati
Teil 4

Zwei Wege in die Meditation

Es gibt zwei Wege, um in die Meditation zu finden: die Methode - und 'Sahaja', den natürlichen Zustand, Hingabe und Gnade. Einerseits werden Methoden gelehrt, anderseits wird man ständig darauf hingewiesen, für Gnade empfänglich zu sein. Einmal heißt es: 'Tu nichts, lass es entstehen.' Dann wieder heißt es: 'Entspanne die Stirn, entspanne die Augen' etc. - der ganze Ablauf systematischer Entspannung etc.

Reinigung des Geistes

Wozu gibt es also diese ganze Methodik? Weil wir Hindernisse aufgebaut haben. Hier im Westen gibt es eine Zweiteilung von Geist und Materie. Die Yogatradition erkennt diese Trennung nicht an. Geist ist ebenfalls materiell - die feinste materielle Energie, die existiert. Nicht atomare Energie ist die feinste materielle Energie, sondern mentale Energie. Spirituelle Energie beginnt erst, wenn das Denken aufhört. Dort wo das Denken endet, beginnt das Spirituelle. Deshalb sagen wir, dass alle Vorgänge die im Denken vor sich gehen, nicht spirituell sind.

Meditation ist anfangs ein Prozess der Reinigung des Geistes. Nach der Meditation sollte sich dein Geist gereinigt, erfrischt, ruhig und gelassen fühlen. Viele Menschen erwarren sich tolle Erfahrungen in der Meditation. Wir empfehlen, nicht nach Erfahrungen zu suchen. Die einzige Erfahrung, nach der man während der Meditation streben sollte, ist jene der Ruhe, völliger Gelassenheit, völliger Stille in Körper und Geist. Dann wird der Geist wie ein ruhiger, klarer See, und alle Probleme lösen sich auf.

Einpunktige Konzentration und Ausdehnung

Viele sind der Ansicht, dass Meditation das Zurückziehen der Sinne bedeutet. Doch in erster Linie ist Meditation ein Training der Sinne. Kannst du eine Blume betrachten und dabei nichts anderes wahrnehmen? Du nimmst eine Blume wahr und beschränkst deine Perspektive allein darauf - dadurch nimmst du viel mehr von dieser Blume wahr als je zuvor. Du siehst jedes winzige Detail, du beginnst zu verstehen, wie die Blume 'funktioniert'.

Hat man ein bestimmtes Maß an Konzentration in der Meditation erreicht, so wird man von diesem Punkt aus immer mehr nach innen gezogen. Einige nennen das Konzentration, andere Erweiterung des Bewusstseins. Ohne Konzentration gibt es keine Ausdehnung.

Der Geist ist die feinste materielle Energie, die dem Menschen für all seine Aktivitäten zur Verfügung steht. In der Meditation konzentriert man sich auf einen Punkt - auf den Atem, ein Wort, einen Gedanken. Man verfeinert das immer weiter, bis die subtilste Vibration erreicht wird. Dann öffnet sich plötzlich etwas, man durchbricht diesen Punkt - die Türen sind geöffnet. Ein unermessliches kosmisches Licht zieht dich an, zieht dich in sich hinein und du bist angekommen.

Diese Erfahrung ist gemeint, wenn wir über das innere, spirituelle Sein sprechen, die ewig rein, ewig weise und ewig frei ist. Dieses Licht ist niemals an irgendetwas gebunden, es ist niemals eingeschränkt. Hier gibt es keine Unwissenheit, nicht einmal die Möglichkeit von Unwissenheit. Wir versuchen, es durch unsere einfach gestrickte Logik im Rahmen von Zeit, Raum und Verursachung zu verstehen, doch sie ist hier nicht anwendbar. Die Wirklichkeit, die man in der Meditation zu erfahren sucht, ist von völlig anderer Natur. Sucht daher nicht nach Gott, sondern sucht nach der Wahrheit.

Hier verwenden wir den Begriff Selbstverwirklichung für das Ziel der Meditation. Selbstverwirklichung - das Verwirklichen der wahren Wesensnatur des reinen Selbst. Diese Wirklichkeit wird zur eigenen inneren Erfahrung. Im Yoga erforscht man die Wirklichkeit.

Geduld

Meditation zu entwickeln erfordert Geduld. Denn Veränderungen in der Persönlichkeit entstehen nur allmählich. Es geschieht nichts Dramatisches. Auch das, was manche als spontane Erleuchtung beschreiben, ist in Wahrheit das Resultat eines langen Entwicklungsprozesses.

Man beobachtet genau, woher seine Probleme entstehen und wie die Persönlichkeit diese Probleme hervorbringt. Unser persönliches Umfeld entspricht genau dem, was man selbst ist. Unsere eigenen Persönlichkeitsstrukturen bestimmen unser Handeln. Man trägt eine bestimmte Tendenz in sich, folgt diesen Neigungen und handelt entsprechend. Bewusst oder unbewusst entscheidet man sich für die Art von Handlungen und Aktivitäten, geht die Art von Beziehungen ein, die dem entsprechen, was bereits in der Persönlichkeit angelegt ist.

Alle Handlungen, alle Gedanken, jedes gesprochene Wort, alles was man sieht, jedes Wort das man hört, jede Bewegung die man macht, jedes Lächeln, hinterlässt im Geistfeld eine feine Spur. Alles was man bewusst oder unbewusst in seinen Geist aufgenommen hat, die Art von Zeitschriften, Büchern, Comics, die man gelesen hat, die Art von Filmen, die man gesehen hat, die Worte die man verwendet hat - mit all diesen Handlungen hat man seine Persönlichkeit geformt. Die Gesamtheit aller bisherigen Eindrücke macht uns als Persönlichkeit aus. Dadurch ist man zu einem Magneten geworden, der genau jene Umstände anzieht, die diesem Persönlichkeitstyp entsprechen.

Doch tief in jedem von uns gibt es den freien Willen - jenen Aspekt der reinen Lebenskraft, der reinsten Bewusstseinskraft, die stets ungebunden, uneingeschränkt und ewig ist. Aus dieser innersten Quelle der Kraft, dem unendlichen Ozean der Energie, des Mitgefühls, der Liebe, kann man unbegrenzt schöpfen.