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Das innere Zentrum

Auszüge aus der Vortragsserie 'Die Natur der Persönlichkeit'
von Swami Veda Bharati
Teil 1

Die Reise zum Selbst

Meditation wird beschrieben als eine Reise des Selbst, durch das Selbst, zum Selbst.

Die meisten Menschen sind ihr gesamtes Leben lang mit ihrem Bewusstsein in der Außenwelt aktiv. Man haftet an diesem Objekt an, dann an jenem, an dieser Person, an jener und so weiter. Von frühester Kindheit an werden wir von den Eltern, in den Schulen, die gesamte Erziehung hindurch über äußere Dinge unterrichtet. Doch wir lernen nichts über uns selbst. Es wurde uns niemals beigebracht, uns selbst zu beobachten.

Wie viele Menschen sind sich ihres Körpers wirklich bewusst? Wie oft in deinem Leben warst du dir wirklich deiner Atmung bewusst? Wie häufig hast du dich selber beim Denken beobachtet, 'Ich denke. Was denke ich? Woher steigen die Gedanken in meinem Geist auf? Warum steigen sie auf? Warum denke ich genau an dies und nicht an etwas Anderes, an etwas Positives, das für mein Leben unterstützend sein könnte?'

Wer oder was bin ich?

Meditation ist ein Training, in dem man sich darin übt, nach innen zu schauen und herauszufinden: 'Was bin ich? Was genau ist damit gemeint, dass ich ein menschliches Wesen bin? Was unterscheidet Tier und Mensch? Wie kann ich erkennen, wer ich wirklich bin? Welche Möglichkeiten und Kapazitäten habe ich?'

Wenn man zu sich selber 'Ich bin' sagt, stellt sich die Frage:  Wo ist der Ursprung dieses 'Ich bin', woher entsteht es? Welches Bewusstsein, welcher Wille lässt in deinem Gehirn und in deinem Denken diese Worte entstehen? Wo beginnt es, wer sagt es, wo ist dieses 'Ich'?

Meditation ist ein Prozess der Suche diesem 'Ich'. Deshalb beginnen wir meist mit dem allgemeinen Mantra so'ham, 'Dies bin ich'.

Unabhängigkeit

Findet man sein wahres inneres Selbst, ist man unabhängig von allem anderen. So viele Menschen sind ständig auf der Suche nach einer äußeren Stütze. Sie stützen sich auf ihre Freundin, ihren Freund etc. Doch wehe diese Stütze fällt weg, dann fallen sie in tiefe Depression. Ein meditativer Mensch ist von all dem unabhängig.

Wir leben in ständiger Unsicherheit, ohne feste Grundlage, wie in einem ständigen Wirbelsturm. Wir sind ständig auf der Suche, wissen aber nicht genau wonach.

Endloses Verlangen

Deine Suche, dein Verlangen, wird nie wirklich erfüllt, denn sowie du das Begehrte in Händen hältst, verliert es seinen Reiz und du begehrst etwas anderes. Du siehst ein schönes Kleid im Schaufenster und sagst, 'Das will ich haben'. All unser Schmerz, alles Leiden im Leben entsteht aus Verlangen und aus Erwartungen, denn beide enden in Frustration. Du kaufst das Kleid, du ziehst es an - am nächsten Tag ist es schon eine alte Sache. Die Intensität des Neuen ist verschwunden.

Menschliches Verlangen kann niemals erfüllt werden. Du gehst in das beste Restaurant der Stadt, schlägst dir den Magen mit all den Köstlichkeiten voll. Sobald der Magen gefüllt ist, beginnt er sich schon wieder zu leeren. Erneut baut sich Verlangen in dir auf und in einigen Stunden bist du ebenso hungrig wie zuvor.

Schau dir die Probleme deines Lebens an. Vor zehn Jahren hattest du ein Problem. Was auch immer das Problem war, du hattest dieses Problem, dann ein anderes und wieder ein anderes. Jedes Mal warst du der Meinung, 'Sobald ich dieses Problem überwinde, ist alles in Ordnung'. Jetzt hast du dieses Problem nicht mehr - ist jetzt alles in Ordnung? Hast du eine Lösung für ein Problem gefunden, taucht ein neues auf. So geht es immer weiter - Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr, und - weil ich von Reinkarnation überzeugt bin - Lebensspanne für Lebensspanne. Es ist der immer gleiche Ablauf.

Aus dem Kreislauf aussteigen

Irgendwann sollte man lernen, aus diesem Kreislauf auszusteigen. Doch wie steigt man aus? Dein gesamtes Leben besteht aus einer fortlaufenden Abfolge von Reiz und Reaktion, Reiz - Reaktion, Reiz - Reaktion.

Doch da gibt es etwas im Inneren. Manche nennen es 'das spirituelle Selbst', andere nennen es Überbewusstsein. Manche nennen es 'Gott'. Manche nennen es das 'Unbekannte in mir'. Was immer es ist, es gibt etwas in dir, das dich nach innen ruft.

Im Wirbelsturm deines Lebens gibt es auch dieses ruhige Zentrum, das Auge des Sturms - ein inneres Sein, das von allem unberührt bleibt und inmitten aller Veränderungen unveränderlich ist.

Erinnere dich an deine Zeit als du drei Jahre alt warst, 15, 30, 50, 70 Jahre. Durch all diese Veränderungen hindurch ist eines geblieben - du sagst, 'Ich bin dieselbe Person.' Wer sagt das? Wer ist dieses permanente Etwas, das 'Ich' sagt. Meditation ist die Suche nach diesem Ich.

Du meinst: 'Aber die Welt ist ein Ort des Handelns. Wozu sollte ich mein Inneres erforschen?'

Ohne dich selbst zu kennen, kannst du niemals jemand anderen wirklich kennen. Wenn deine Emotionen nicht ausgeglichen sind, kannst du niemandem wirklich Freude bereiten. Solange du den Ursprung von Liebe und Freude nicht in dir selbst gefunden hast, kannst du niemand anderem Freude und Liebe schenken?

Falsche Identität

Ohne das ist alles, was du geben kannst, nur dein Ego. Selbst wenn du in der Welt Hilfreiches tust, wirst du zu dir selbst sagen, 'Was bin ich doch für ein großartiger Mensch. Wie selbstlos von mir, so vielen Menschen zu helfen. Doch keiner dankt es mir.'

Das Ego ist nicht das Selbst - das Ego ist der Gegenspieler des Selbst. In der Philosophie der Meditation heißt es, lass dein Ego los und entdecke das Selbst. Es ist der einzige Weg, um zu seinem inneren Wesen zu finden - und dann wirst du auch deine Aufgabe und Bestimmung im Leben finden.

Das Ego ist jene falsche Identität, die wir alle annehmen. Man spricht soviel von Identitätskrisen - woher entstehen sie? Sie entstehen, weil unsere Identität von äußeren Dingen abhängig ist und nicht auf dem wahren Selbst beruht. Du lässt dir deine Haare kurz schneiden - du gibst dir damit eine gewisse Identität. Du lässt die Haare lang wachsen - und gibst dir eine andere Identität.

Doch all das ist nicht deine wahre Identität. Der Prozess der Meditation ermöglicht dir zu erkennen, dass all diese äußerlichen Dinge und all die verschiedenen Einflüsse deines Umfelds nicht deine Identität ausmachen. Deine wahre Identität ist etwas, das in dir entspringt, irgendwo im Raum zwischen Herz- und Kopfzentrum.

Im Verlauf der Meditation bewegst du dich vom Groben zum Feinen, vom Äußeren zum Inneren. Du kannst im Außen keinen Frieden schaffen, wenn du selbst nicht im Frieden bist. Daher schaffe zuerst Frieden in dir selbst. Erst dann kannst du anderen Frieden schenken. Wenn man das verwirklicht, wird Friede vielfach zu dir zurückkommen.

Der Spiegel

Die gesamte Welt und all deine Beziehungen sind Spiegel von dir selbst. Ist das Gesicht klar und rein, so ist auch die Reflektion klar. Meditation ist ein Prozess, in dem man das Gesicht seines Geistes reinigst. Die Yoga-Philosophie geht davon aus, dass man in erster Linie das ist, was man denkt. Wer entscheidet? Dein Geist. Was ist es, das akzeptiert oder ablehnt, etwas erwartet oder frustriert ist? Dein Geist.

In deinem Zuhause hast du einen Ort, um deinen Körper zu ernähren, einen Ort, um ihn zu reinigen und einen Ort, deinen Körper auszuruhen. Hast du zuhause einen Ort, wo du deinen Geist nährst, abgesehen vor dem Fernseher? Hast du einen Ort, deinen Geist zu reinigen und einen Ort, an dem dein Geist ruhen kann?

Durch Meditation nährst Du deinen Geist, du reinigst ihn und lässt ihn zur Ruhe kommen. Man sollte seinem Geist täglich erlauben, zur Ruhe zu kommen. Steig aus dem Wirbel deiner alltäglichen Probleme, Erwartungen und Frustrationen aus.

Normalerweise reagierst du auf äußere Eindrücke. So lange dein Bewusstsein an verschiedene Menschen, Dinge, Beziehungen, an deine langen oder kurzen Haare etc. gebunden ist, so lange wirst du reagieren und nicht agieren. Durch dieses Reagieren verlierst du den Kontakt zu deiner inneren, reinen Identität.

Yoga-Meditation ist trotz all der Philosophie in erster Linie eine Praxis. Dies hier dient nur als Einleitung.

Das reine innere Wesen

Wir sprechen vom reinen Selbst. Dieses Selbst wird als ewig rein, ewig weise, ewig frei beschrieben, als in seiner eigenen Natur ruhend. Lass diesen Gedanken in dir wirken: ewig rein, ewig weise, ewig frei - das ist mein wahres inneres Wesen. So'ham - Dies bin Ich.

Alles andere sind nur Anlagerungen, Ansammlungen verschiedener Eindrücke von außen. Wenn ich mich zum Meditieren setze, leere ich den Geist von all den unwichtigen Dingen, die ständig über die Sinne hereinkommen, damit er von etwas Tieferem in mir erfüllt werden kann. Du begibst dich auf die Suche nach dem Ursprung der enormen Kraft, Stärke, Liebe und Freude, die in dir selbst zu finden sind.

Dies alles hat nichts mit Religion zu tun, doch in gewisser Weise ist es für mich ein Test für Religion. Wenn es einen Gott gibt, der überall ist, dann muss er auch in mir sein. Und dann will ich ihn finden!

Nitya shuddha buddha mukta svabhava.
Ewig rein, ewig weise, ewig frei - das ist mein wahres inneres Wesen.

Manche Menschen besuchen Yoga-Kurse, um sich zu entspannen. Entspannungsübungen und andere Körperübungen sind dafür sehr hilfreich. Doch ohne Philosophie kannst du kein wirklich entspanntes Leben führen. Mit entspanntem Leben meine ich: entspannt zu sein, während du deinen Verpflichtungen nachgehst. Entspannt zu sein, während du an der Kasse wartest. Entspannt zu sein, während du mit dem Auto im Stau stehst. Entspannt zu sein, während du in einer Prüfung sitzt. Entspannt zu sein, selbst wenn du einen 18-stündigen Arbeitstag hast.

Das Zentrum in sich selbst

Im Wirbelsturm des Lebens findest du dieses ruhige Zentrum in dir selbst. Du beziehst deine Energie daraus, es ermöglicht dir, innerlich im Gleichgewicht zu bleiben.

Wenn du also heute nach Hause fährst oder auf den Bus wartest, erinnere dich. Der erste Punkt der Praxis ist, achtsam sein, sich gewahr sein, sich erinnern. Und bleibe entspannt. Es ist ganz einfach: beobachte dich, sei dir deines Atems bewusst. Das ist die erste Übung in Meditation - unser Ausgangspunkt.

Beobachte also, was du tust und wie dein Verstand funktioniert. Bleib entspannt und handle aus einem tieferen, ruhigeren Ort in dir. Wenn du mit Kunden, Patienten, deinem Arzt sprichst, so entspanne dabei. So wird sich deine Praxis allmählich vertiefen. Übe systematische Entspannung - abends vor dem Einschlafen und am Beginn des Tages.

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